Am 10. Juni 2020 verstarb Hans Mezger im Alter von 90 Jahren. Anlässlich des ersten Todestages hatten wir die Gelegenheit, mit seinem Sohn Oliver Mezger sprechen zu können.
Herr Mezger, am 10. Juni 2021 jährt sich der Todestag Ihres Vaters zum ersten Mal. Das wird bestimmt ein schwieriger Tag mit gemischten Gefühle?
Das wird er bestimmt. Auf der einen Seite kann man meinen Vater an einem solchen Tag natürlich feiern – sein Leben und sein Schaffen, seine einzigartige Karriere bei Porsche und die Errungenschaften für die gesamte Automobilindustrie. Auf der anderen Seite fehlt er uns natürlich auch privat als ganz normaler Mensch, Freund, Großvater, Vater und Ehemann.
Das Porsche Museum richtete zu seinem 90.Geburtstag eine Feier aus. Eine sehr schöne Geste!
Mein Vater nahm hier noch einmal seine ganze Kraft zusammen und feierte mit vielen Weggefährten seinen runden Geburtstag. Unter anderem waren Richy Müller und Jochen Mass dabei und erwiesen ihm die Ehre. Das hat ihm viel bedeutet. Im Porsche Museum blühte er regelrecht auf. Das war für ihn wie ein „nach Hause kommen“.
Sein letztes Interview gab Ihr Vater wenige Wochen vorher im historischen Archiv bei Porsche im Oktober 2019 und wirkte dort noch sehr vital?
Das kann man so sagen. Leider ging es danach gesundheitlich relativ schnell bergab. Bei einer mehrtägigen Reise mit ehemaligen Porschekollegen nach Österreich stürzte er und verletzte sich am Kopf und am Bein. Da er sein Leben lang sehr hart im Nehmen war, hat er die folgenden Anzeichen nicht so ernst genommen und einen Arztbesuch recht lange hinausgezögert. Es kam zu weiteren Komplikationen und schließlich zu einem Herzinfarkt. Aber auch während seiner Krankheitsphase hat er immer wieder Kraft geschöpft und so haben wir bis zuletzt gehofft, dass er wieder nach Hause kommt. Seine ältere Schwester ist immerhin 104 Jahre alt geworden.
Ihr Vater fuhr auch bis zuletzt immer noch die ganz aktuellen Modelle aus der Neunelfer Reihe?
Das ließ er sich nicht nehmen! Es musste schon immer noch der allerneueste Neunelfer sein. Zuletzt fuhr er einen 991 Carrera 4 S und hatte an dem Fahrzeug noch richtig viel Freude!
Fuhr Ihr Vater schon immer nur Porsche?
So war es in der Tat. Mein Vater kaufte seinen ersten Porsche schon 1960 mit 31 Jahren. Das war damals ein gebrauchtes 356 B-Modell. Sein Chef fuhr zur gleichen Zeit noch einen alten VW Käfer…! Danach kam ein 356 Cabriolet mit Hardtop.
Seinen ersten Neunelfer kaufte er im Dezember 1965 von Ferdinand Piech. Dieser fuhr als Dienstwagen einen der ersten Porsche 911 mit der Nummer 6, ein ganz frühes Auto.
Piech wusste, dass mein Vater auch einen Neunelfer wollte – sie hatten ja eng zusammen an dem Motor gearbeitet und diesen entwickelt. Als Piech seinen Dienstwagen abgeben wollte, informierte er meinen Vater und machte ihm als Mitinhaber und Familienmitglied von Porsche einen guten Preis. Die Nummer 006 wurde dann sein erster Neunelfer. Später fuhr er einen weinroten 911 S. Dann kam ein 911 Carrera RS 2.7. Im Jahr 1979 kaufte er schließlich ein grandprixweißes 911 Carrera 3.0 Coupé. Dieser Wagen lief als Testfahrzeug in Weissach. Diesen Neunelfer gab er dann nicht mehr ab.
Ihr Vater hat bei Porsche eine einzigartige Karriere gemacht und war dem Unternehmen sehr verbunden. Wollte er gerne, dass auch Sie einmal bei Porsche arbeiten sollten?
Das war nie so von ihm konkret ausgedrückt oder gegenüber mir als Wunsch formuliert, aber er hätte es sicher gerne so gehabt. Meine Interessen gingen aber in eine andere Richtung. Ich habe Architektur studiert und war schon immer sehr interessiert an der Fotografie. Die hat er mir übrigens als Kind beigebracht.
Mein Vater war ein leidenschaftlicher Fotograf und es gibt viele spannende Fotoserien in seinem Archiv zu entdecken – dieses besteht aus mehreren Tausend Dias.
Für seine Autos und Projekte bei Porsche habe ich mich immer sehr interessiert, aber der Beruf des Maschinenbau-Ingenieurs wäre an meinen Begabungen vorbei gegangen.
Wenn Sie an die Urlaube in der Kindheit mit Ihrer Familie zurückdenken. Welche Urlaubsorte fallen Ihnen spontan ein?
In den 60ern, den 70ern und Anfang der 80er waren wir regelmäßig im Hotel Porschehof beim Schüttgut in Zell am See. Ferry Porsche und seine Schwester Louise Piech haben das Hotel als Ferienheim für Ihre Mitarbeiter errichten lassen. Wir haben dort immer sehr schöne Urlaube verbracht. Einige Male waren wir auch auf der Porsche-Alm und haben am Alm-Abtrieb teilgenommen. Die Kühe trugen dabei immer einen farbenprächtigen Kopfschmuck, ein sehr schönes und beeindruckendes Erlebnis.
Turbo – Hans Mezger Edition 2020 mit seinem letzten Interview
Zu Ehren von Hans Mezger wurde das Buch „911 Turbo Air-Cooled Years 1975-1998“ in der „Hans-Mezger Edition 2020“ aufgelegt. Es erschien in einer limitierten Auflage von 2020 Exemplaren und enthält neben einer ausführliche Biografie außerdem sein letztes Interview, das er im Oktober 2019 gegeben hat.
LIMITED EDITION Porsche 911 Carrera 3.0 Modellauto Hans Mezger
Zum ersten Todestag von Hans Mezger erschien am 10. Juni 2021 sein privater 911 Carrera 3.0 als Modellauto von Minichamps in einer limitierten Auflage von 2020 Exemplaren.
Konnte man den Urlaub in Zell am See auch wirklich „Urlaub“ nennen, oder gab es auch „offizielle Termine“ für Hans Mezger?
Ja, das war wirklich Urlaub. Wenn mein Vater in Zell am See war, sprach sich das aber auch rum. Und da gab es eine große Gemeinschaft von Rennfahrern , Bergrennern und anderen Bekannten, die dann vorbeikamen. Es gab dann auch schon mal den ein oder anderen offiziellen Termin. Einige Male traf mein Vater in Zell am See auch Vertreter der Familien Porsche und Piech. Manchmal stand auch ein Termin an der damaligen Formel 1 Strecke Zeltweg an, dann ging der Job natürlich weiter…! Trotzdem stand aber der Urlaub immer an erster Stelle.
Fuhren Sie zu viert nach Österreich mit dem ganzen Reisegepäck auch im Porsche? Die Aufnahmen deuten fast darauf hin?
Wir sind tatsächlich bis in die 70-er Jahre alle zu viert mit einem Dachgepäckträger auf dem 911 nach Zell am See in den Urlaub gefahren. Wir mussten dafür immer Spezial Dachgepäckträger von Porsche organisieren, weil normale Gepäckträger auf dem Porsche 911 nicht passten. Das war dann immer ein recht belustigender Auftritt und Anblick.
Die beste Geschichte bei diesen Fahrten war aber ein ganz besonderer Gepäckträger. Diesen hatte die Entwicklungsabteilung von Porsche designt. Es war eine aerodynamisch geformte Box aus Glasfaserteilen. Wir bekamen für die Reise nach Zell am See einen Prototypen dieser Dachbox gestellt. Man konnte diese Box irgendwie nicht richtig verschließen und beim Beschleunigen flogen dann Teile von Familie Mezgers Reisegepäck auf die Autobahn. Das war damals wirklich unangenehm. Heute kann man sich darüber amüsieren.
Das war dann unsere letzte Fahrt zu viert im 911 nach Zell am See. Danach brachte mein Vater mich und meine Schwester Daniela nach Zuffenhausen. Von dort fuhr der Werksbus mit vielen anderen Urlaubern zum Porschehof nach Zell am See. Meine Eltern sind dann gemütlich mit dem 911 angereist. Damals gab es auch noch keinen Tunnel. Ich kann mich noch an eine große Granitmauer an der Ortseinfahrt von Zell am See erinnern. Da hat der Motorsound immer so schön gehallt und es wurde laut. Dann wusste ich immer: wir sind da! So klingt es nur in Zell am See.
Bei seinem letzten Interview im historischen Archiv von Porsche deutete Ihr Vater an, dass er seinen grandprixweißen 911 Carrera 3.0 „wieder auf die Straße“ bringen wollte? Dazu kam es vermutlich nicht mehr?
Genau, das ließ der Krankheitsverlauf nicht mehr zu. Auch seinen Dienstwagen hätte er sehr gerne noch gefahren – wir mussten ihn dann aber abgegeben. Seinen Wunsch den Carrera 3.0 wieder auf die Straße zu bringen, habe ich nun übernommen. EARLY 911 S hat den Wagen in Teilen überholt. Er hat nun eine historische Zulassung bekommen und wird bald wieder auf der Straße sein, so wie es mein Vater geplant hatte. Sein Lieblingsauto wird in der Familie bleiben und zu besonderen Anlässen bewegt werden. Möglicherweise wird es auch einmal im Porsche-Museum ausgestellt werden. Das würde mich sehr freuen.
Herr Mezger, vielen Dank für das Interview.